zum Gedenken
Bauernkrieg 1525 : Sie strebten nach Freiheyt und Gerechtigkeyt

Von Rüdiger Soldt, Stuttgart
Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg

29.12.2024, 13:09 Lesezeit: 4 Min.

Bald jährt sich der Aufstand der Bauern zum 500. Mal. Über die Deutung der Ereignisse wird vor dem Jubiläum gestritten.

2025 wird das Jahr des Bauernkriegs. Das Jubiläum des Aufstands von 1525 in Teilen Thüringens, Sachsen-Anhalts und Baden-Württembergs soll mit Ausstellungen, Politikerreden, Tagungen und neuen Publikationen gewürdigt werden. In Thüringen gibt es eine Landesausstellung unter dem Titel "freiheyt 1525", Sachsen-Anhalt fasst die Veranstaltungen unter dem Schlagwort "Gerechtig-keyt 1525" zusammen, in Baden-Württemberg gibt es Ausstellungen zu den Themen "Uffrur" und "Protest". Das Land stellt sich - auch mit Blick auf die Demonstrationen gegen den Stuttgarter Bahnhof - gern als notorisch rebellisch und eigenwillig dar.

Eine Federzeichnung aus der Bauernkriegschronik von Abt Jakob Murer
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Den Versuch, die Aufstände der Bauern in Oberschwaben, im Schwarzwald oder in Mühlhausen für politische Botschaften zu missbrauchen, machten die Nationalsozialisten und die SED. Für die Nazis war der Bauernkrieg ein früher Freiheitskampf des deutschen Volks, für die Kommunisten in der DDR eine "frühbürgerliche Revolution" mit dem Revolutionär Thomas Müntzer an der Spitze.

Der erste seriöse und wohl auch wissenschaftlich fundierte Versuch in der Bundesrepublik, das Bauernkriegsgeschehen politisch einzuordnen, stammt von Bundespräsident Gustav Heinemann. "Einer demokratischen Gesellschaft", sagte Heinemann vor fünfzig Jahren, "steht es schlecht zu Gesicht, wenn sie auch heute noch in aufständischen Bauern nichts anderes als meuternde Rotten sieht, die von der Obrigkeit schnell gezähmt und in Schranken verwiesen wurden." Heinemann wollte das historische Geschehen als frühe Massenbewegung für Freiheit und auch für demokratische Mitsprache verstanden wissen. Der Bundespräsident wandte sich damit gegen Martin Luthers Zerrbild der blutrünstigen Bauern, das die Erinnerung an die Massenbewegung lange geprägt hatte.

Bundespräsident Johannes Rau hielt im Jahr 2000 eine viel beachtete Rede, in der er die Flugblätter der Bauern mit den Zwölf Artikeln als "Monument der deutschen Freiheitsgeschichte" bezeichnete, das auf die Frankfurter Paulskirche vorausgewiesen habe. Sein Nachfolger Horst Köhler sprach 2009 davon, dass "Freiheitsgeschichte" immer auch eine Geschichte von Kämpfen sei. Bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist der 15. März 2025 im Kalender vorgemerkt. Gut möglich, dass er das Jubiläum für eine wegweisende Rede nutzen wird.

Einfach ist die Ãœbersetzung des Bauernkriegsgeschehens nicht

In Baden-Württemberg lässt sich das Land die Erinnerung an den Aufstand der Bauern einiges kosten: 7,15 Millionen kosten die Große Landesausstellung im Kloster von Bad Schussenried, die schon eröffnete Protestausstellung im württembergischen Landesmuseum, das "digitale Storytelling" und eine "mobile Roadshow", für die ein Truck zwanzig Orte im Land anfahren soll, um das Bauernkriegsgeschehen "performativ, partizipativ und unterhaltsam und rasant" den Leuten näherzubringen. "Es geht darum", sagt Kulturstaatssekretär Arne Braun (Grüne), "die Begriffe Freiheit und Gerechtigkeit zu übersetzen in die heutige Zeit. Wie organisieren sich Menschen, die sich ungerecht und schlecht behandelt fühlen?"

Doch so einfach ist die Übersetzung des Bauernkriegsgeschehens nicht, wie ein seit Monaten währender Streit in der oberschwäbischen Stadt Weingarten zeigt. Dort beschloss der Gemeinderat, mit einer Kunstinstallation an den Weingartener Vertrag zu erinnern. Der österreichische Künstler Marbod Fritsch will in das Pflaster des Münsterplatzes den Satz "Damit Frieden und Einigkeit dauerhaft bewahrt werden, sollen wir ..." einlassen. Der Satz stammt aus dem Weingartener Vertrag, der ein von Georg von Waldburg, dem Feldherrn des Schwäbischen Bundes, oktroyierter Siegfrieden war: Die Bauern legten ihre Waffen nieder, sie kamen - eine große Ausnahme im Bauernkrieg - straffrei davon und behielten ihre soziale Stellung.

Der Satz klingt nach Auffassung von Elmar Kuhn nach preußischem Obrigkeitsstaat und wird dem Charakter der ersten deutschen Massenbewegung für Freiheit nicht gerecht. Kuhn ist Mitgründer der Gesellschaft Oberschwaben und leitete viele Jahre das Kulturamt im Bodenseekreis, er gilt als der beste Kenner der oberschwäbischen Geschichte. "Aus diesem Text lässt sich nichts Positives herauslesen, er liest sich wie ‚Ruhe ist die erste Bürgerpflicht'", sagt Kuhn. Mit dem Denkmal diffamiere die Stadt Weingarten die "bäuerliche Unruhe", die auch in der heutigen Demokratie nötig sei, um ungerechte Zustände zu ändern. Andere Kommunen, zum Beispiel Memmingen mit dem Freiheitsbrunnen und Baltringen mit der Skulptur "Oberschwaben erhebt sich", hätten es besser gemacht.

Problematische Vergleiche mit aktuellen Protesten

Weingarten will an dem 55.000 Euro teuren Vorhaben festhalten. Die Realisierung werde im Frühjahr angestrebt, so die Sprecherin der Stadt. Der Schriftzug solle als "Störer" in der Innenstadt funktionieren, daran erinnere die Formulierung "Sollen wir". Allerdings kommt auch aus der professionellen Historikerzunft Kritik. Der Bauernkriegsforscher Gerd Schwerhoff von der Technischen Universität Dresden sagt: "Der Vertrag kann insgesamt sinnbildlich als Modell für die friedliche Beilegung eines Konflikts und die Potentiale einer Kompromisskultur stehen."

In diesem Sinn könne man an den Vertrag in positivem Sinn erinnern, weil durch ihn massenhaftes Blutvergießen verhindert worden sei. "Das Zitat für das Denkmal in Weingarten allerdings ist im Effekt einseitig und deshalb unpassend." Gerade ein solches Denkmal müsse das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsstreben der Aufständischen und dem Kompromiss zum Ausdruck bringen.

Auch in der Ausstellung "Protest", die gerade im Stuttgarter Landesmuseum gezeigt wird, zeigt sich, dass es nicht einfach ist, für den Bauernkrieg den richtigen Platz in der deutschen Geschichte zu finden. Dort wird er eingereiht in andere Bewegungen wie die für den Klimaschutz oder für eine humane Asylpolitik. Gehören aber die Pegida-Bewegung oder die Proteste gegen die Corona-Politik auch zu den vorbehaltlos mutigen Massen- und Freiheitsbewegungen?

Schwerhoff sagt, heute könne das Diktum des Historikers Peter Blickle, dass der Bauernkrieg eine "Revolution des gemeinen Mannes" gewesen sei, nicht mehr vorbehaltlos gelten: "Das Bauernkriegsgeschehen war sehr viel komplexer und widersprüchlicher. Eigentlich entzieht es sich einer einseitigen Heroisierung. Natürlich war es ein Kampf für Freiheit und Recht, aber diese Werte wurden damals anders ausgelegt als heute." Der Freiheitsbegriff sei im 16. Jahrhundert sehr christlich geprägt gewesen, beim Rechtsbegriff habe es sich nicht um ein philosophisch begründetes Naturrecht gehandelt. "Jenseits des Ideals brüderlicher Einigkeit spielten gewaltsamer Druck und Zwang nach innen und außen eine große Rolle. Wir sollten also mit heroisierenden und verallgemeinernden politischen Deutungen zurückhaltend sein." Der Bauernkrieg bleibe aber ein zentraler historischer Lernort.


Quelle: FAZ